Rainer Krumm im Interview, Teil 1: Was ist Teamkultur?

Anlässlich ihrer Masterthesis mit dem Titel „Auswirkungen der Digitalisierung auf die Teamkultur und Teamzusammenarbeit: eine erweiterte qualitative Fallstudie“ interviewte Elisa Kübel, Studentin an der Hochschule Karlsruhe, Rainer Krumm zu den unterschiedlichsten Aspekten von Teamkultur. Die Ergebnisse dieses Gesprächs möchten wir euch nicht vorenthalten und haben daher eine Blogreihe erstellt, um die einzelnen Themenbereiche gebührend aufzubereiten und allen interessierten Leser:innen zur Verfügung zu stellen. Viel Spaß beim Lesen!

Elisa Kübel: Herr Krumm, was macht Ihrer Meinung nach eine gute Teamkultur aus?

Rainer Krumm: Ich bin ein großer Freund vom Begriff „Passung“. Die Teamkultur muss zur Lebenswelt passen. Das heißt also im Wesentlichen: Es gibt nicht die eine Teamkultur, es gibt auch nicht die beste Teamkultur. Es kommt immer darauf an, welche Herausforderungen das Team hat. Also in welchem Markt ist es unterwegs und welche Themen bearbeitet es gerade? Erst dann können wir darüber sprechen, welche Kultur es benötigt, um erfolgreich zu sein.

Passung:
Teams sind vor allem dann erfolgreich, wenn die Passung von Person, Organisation, Gruppe und Markt stimmt. Befinden sich diese vier Felder im Einklang, besteht kein Veränderungsbedarf. Ändert sich aber nur einer dieser Bereiche, entsteht ein Ungleichgewicht und die anderen Felder sind aufgefordert, sich entsprechend anzupassen.

Es gibt Märkte, die brauchen eine Teamkultur mit viel gelebter Dominanz, weil ein „Hauen und Stechen“ ab und zu sehr hilfreich sein kann. In anderen Herausforderungsbereichen wäre das undenkbar und eine eher wertschätzende, vertrauensvolle, kooperative, konsensorientierte Kultur bringt das Team voran. Das hängt aber wie gesagt immer von der Passung zur Lebenswelt ab.

Lebenswelt:
Das kann einerseits ein Markt, aber auch intern die Abteilung sein. Die Lebenswelt von Teams ohne Marktkontakt ist z. B. die Verwaltung. Die Lebenswelt kann aber auch eine Region sein. Selbst wenn ein Team das gleiche Produkt in 23 Ländern vertreibt, macht es einen gewaltigen Unterschied, ob es dieser Tätigkeit in Ägypten, Kuala Lumpur, Oberschwaben oder in Nordamerika nachgeht.

Elisa Kübel: Wenn Sie an Teamarbeit denken, welche Faktoren sind für Sie besonders wichtig?

Rainer Krumm: Ich würde sagen, das sind die sogenannten 7 S, also sieben Stellhebel, an denen wir drehen können, um Kultur indirekt zu beeinflussen. Dabei können wir folgende Fragen stellen:

  1. Strategy: Hat ein Team eine Strategie?
  2. Shared Values: Welche Werte lebt das Team?
  3. Style: Wie wird im Team geführt?
  4. Staff: Welche Mitarbeiter gibt es?
  5. Skills: Was können diese Menschen? 
  6. Systems: Wie sind die Ablaufprozesse?
  7. Structure: Wie ist die Struktur des Teams?

Und immer wieder kommen wir zu der Frage: Was passt zum Team? Manchmal sind es kleine Rahmenveränderungen, die aber die Kultur massiv verändern. Plötzlich sprechen die Kolleg:innen mehr miteinander. Plötzlich arbeiten sie viel mehr zusammen, da intern weniger Wettbewerb vorherrscht. Und warum ist weniger Wettbewerb da? Weil man vielleicht eine Individualprämie zu einer Teamprämie umfunktioniert hat. Kleine Stellschraube – große Wirkung!

Elisa Kübel: Jetzt haben Sie ja schon einiges über Werte gesagt, aber wie kann man Werte im Team messbar machen?

Rainer Krumm: Unsere 9 Levels of Value Systems® sind ein wissenschaftlich validiertes Analysetool auf Basis der Theorie von Professor Clare W. Graves. Hierbei handelt es sich um Online-Fragebögen, durch die man einerseits die persönlichen Wertesysteme messen kann, andererseits aber auch die Team- oder Organisationswerte. Und das ist für mich ein wichtiger Punkt. Der Durchschnitt der Individualwerte entspricht nämlich nicht gleichzeitig den Teamwerten.

Es kann zum Beispiel sein, dass wir von unserer Grundeinstellung her zwar total kooperativ sind, aber von unserem Chef in eine Art Ranking gepresst werden. Und dass ich mir überlege: „Mensch, eigentlich würde ich der Frau Kübel jetzt gern einen Tipp geben, wie sie noch besser werden kann. Andererseits: Die ist ja so pfiffig! Vielleicht setzt die das dann gleich um und schiebt mich von Platz eins auf Platz zwei. Dann lass ich es vielleicht lieber.“

Elisa Kübel: Das heißt, in diesem Fall kommen egoistischere Verhaltensmuster viel stärker zum Zuge?

Rainer Krumm: Richtig, und das wiederum kann in manchen Teamkulturen genau das sein, was ich brauche. Weil es passt, um sich gegenseitig zu pushen. Es gibt Teams, da brauche ich einfach einen Wettbewerb, die müssen sich auch nicht basisdemokratisch lieb haben, sondern da will ich einfach, dass es auch manchmal scheppert und knallt – wenn es für die Teamkultur und zur Herausforderung passt.

Elisa Kübel: Können Sie eine spezielle Handlungsempfehlung für eine gelingende Teamkultur geben?

Rainer Krumm: Ich kann es nicht oft genug sagen: Für mich ist der Begriff „Passung“ der wichtigste Punkt überhaupt. Es gibt nicht die eine Teamkultur, es gibt nicht die beste Teamkultur, es hängt immer von den Herausforderungen der Lebenswelt ab. Und allein dieses Bewusstsein ist Gold wert. Es ist völlig egal, was die Nationalmannschaft macht oder was Google macht oder was die Konkurrenz macht … Wenn ich eine Maschinenbaufirma in Oberschwaben bin, dann brauche ich eine andere Teamkultur als Google, punkt!

Danke für das Gespräch rund um Teamkultur und Passung, Elisa Kübel und Rainer! In unserem nächsten Blogbeitrag betrachten wir eingehender, wie äußere Einflüsse die Teamkultur auf eine harte Probe stellen können.